Das verflixte Wetter will dieses Jahr einfach nicht mitmachen! So hatte ich geplant endlich den Alpenpässeweg im Graubünden zu starten, doch die angekündigten Starkniederschläge haben mich wieder mal umplanen lassen… So nehme ich mir vor, in zwei Tagen von Gruben im Turtmanntal bis nach Arolla zu wandern, das ist zwar auch Teil des ins Auge gefassten Treks, doch einfach in der Mitte. Schwingt noch mit, dass beim letzten Versuch in zwei Tagen von der Jungernalp nach Grimentz zu wandern (siehe Hike#82) vor ziemlich genau einem Jahr, ein massives Gewitter mich und Kollegen zum Rückzug zwang. Diese offene Gestalt will ich nun schliessen… 🙃
Distanz: ca. 56km
Höhenmeter: ca. 4’240m hoch / 4’060m runter
Marschzeit: rund 18h
GPS-Route: SchweizMobil
Gruben – Grimentz – Bendolla (Tag 1)
Frühmorgends am heutigen Dienstag steige ich in Bern in den Zug ins Wallis, um ab Oberems ob Turtmann den ersten Bus nach Gruben zu erwischen. Das Wetter ist prächtig, voller Vorfreude beginne ich unweit vom Hotel Schwarzhorn mit einigen anderen Wanderern den Aufstieg in Richtung Meidpass. Eine kurze Pause in Mittelstafel und ruckzuck bin ich schon auf Höhe Meidsee angelangt, wo wir ein Jahr zuvor leicht unterhalb unsere Zelte aufgestellt und frühmorgends am nächsten Tag von einem massiven Gewitter überrascht wurden.
Rund eine halbe Stunde später stehe ich bereits auf dem Meidpass und geniesse nebst der grandiosen Aussicht auf viele Viertausender in beide Richtungen, sogar der Mont Blanc lässt sich in der Ferne einigermassen ausmachen.
Zuerst ziemlich steil im Geröll, später einiges flacher und von frischem Grün umgeben zieht sich der Wanderweg runter nach Combavert, wo ich den kurzen Aufstieg wieder hoch zum Hotel Weisshorn mit unzähligen Tagesausflüglern, die mit der Standseilbahn von St. Luc hochgefahren sind, teile. Beim Hotel angekommen gönne ich mir eine kühle Cola im bequemen Sessel, vom Weisswein beschwingt plappert es unaufhörlich um mich rum…
Der darauf folgende Abschnitt ist phänomenal, denn quasi mit jedem Schritt eröffnet sich einem die Aussicht auf Bishorn, Brunegghorn, Weisshorn, Zinalrothorn, Grand Cornier und natürlich das – heute ach so scheue – Matterhorn. 🙂
Nun beginnt der ziemlich lange aber abwechslungsreiche Abstieg nach Ayer, einem sympathischen kleinen Dörfchen am Taleingang von Zinal. Mir war bekannt, dass die Unwetter vor ein paar Wochen im Val d’Anniviers viele Schäden angerichtet haben, jedoch war mir nicht bewusst, dass keine wirkliche Umleitung für die grossräumig gesperrten Wanderwege existieren (oder ich lese die «Sperrungsinfo» einfach falsch). Auf jeden Fall bin ich gezwungen – um nicht per Postauto nach Grimentz zu gelangen – über die Strasse in Richtung Zinal zu laufen, den Fluss La Navisence beim Pont du Bois zu queren und anschliessend rund 2km auf dem Asphalt auf der gegenüberliegenden Talseite zu laufen, bis ich den Wanderweg wieder erwische… Roadwalking wie auf dem PCT! 🙂
In Grimentz angekommen schleppe ich mich ziemlich müde in den Dorfkern, wo ich beim gedeckten Brunnen eine ausgiebige Pause mir gönne. Gestärkt nehme ich den letzten Aufstieg für heute unter die Füsse, es geht schnurstracks der Gondelbahn entlang hoch nach Bendolla. Unterwegs begegne ich noch einer hübschen kleinen Kirche mit dahinterliegendem Picknick-Platz, ach wäre das ein toller (aber verfrühter) Schlafplatz gewesen! Ziemlich entkräftet erreiche ich die Bergstation der Gondelbahn, wo mich ein vereinsamtes Kalb laut anblökt; mutterseelenallein bin ich hier oben, besagtes Kalb ausgenommen, und ich knalle mich kurz auf die dicken Turnmatten um mich ein wenig zu erholen. Gerne wäre ich bis aufs Lona-Plateau hochgelaufen, doch das geben meine Beine heute nicht mehr her. Kurz bevor es eindunkelt stelle ich auf einem flachen Stück Skipiste beim Torrent de la Freinze mein Zelt auf, wasche mich im eiskalten Flüsschen und koche mir ein deftiges Znacht… hundemüde fallen mir noch während dem Blick aufs morgige Wetter die Augen zu.
Bendolla – Evolène – Arolla (Tag 2)
Ich habe ehrlich gesagt nicht wirklich gut geschlafen, der gestrige Tag war ziemlich lang, und die Temperatur steigt unerbittlich. Dennoch nehme ich mir Zeit fürs Frühstück und laufe erst gegen halb neun Uhr los. Der Wanderweg geht ziemlich spekatkulär, teilweise mit Ketten gesichert und über eine kleine Brücke hoch zum Lona-Plateau, wo mich denn auch schon die Murmeli freudig pfeifend begrüssen. Der Alpenpässe-Weg führt gemütlich und oberhalb des Lac de Lona hoch zur Passhöhe, von wo ich wieder mal das Panorama geniesse. Der Mont Blanc ist heute einiges deutlicher auszumachen…
Der Abstieg zuerst über ein Geröllfeld anschliessend über saftige Matten ist unspektakulär. Erst unterhalb Les Cliosses, als der Wanderweg in den Wald einmündet, stellt sich bei mir helle Begeisterung ein. Federnden Schrittes geht es stetig runter, vorbei an unzähligen Plätzchen, an denen ich am liebsten meine Hängematte (die ich nicht dabei habe!) aufhängen würde… hier muss ich ein andermal vorbeikommen! Bei Les Crettesses mache ich mal kurz Mittagspause, denn ein paar Wolken spenden Schatten und in der Haarnadelkurve steht nebst einem Kreuz ein einladender Picknick-Tisch.
Ein paar hundert Kalorien stärker geht’s nun den letzten Abschnitt runter nach Evolène, eine grössere Ortschaft, die mir irgendwie überhaupt nicht gefallen will, ich bleibe knapp zehn Minuten im Ort um meine Wasserflaschen zu füllen, schon bin ich am Flussufer und bahne mir einen Weg durch Sand und Schutt zur nächsten Brücke. Es beginnt der letzte sehr strenge Aufstieg in Richtung Arolla, ich will unbedingt das letzte Postauto um kurz nach sechs Uhr erwischen. Die Luftfeuchtigkeit macht mir echt zu schaffen, die sich zu mir gesellenden Fliegen ebenfalls. Ich komme an hübschen Weilern vorbei, vom Le Tsalé de la Cretta bin ich besonders angetan, hier muss es sich schön hausen lassen! Im anschliessenden Aufstieg zur Käser-Alp Les Chotes de l’Etoile fängt es hangwärts über mir zu donnern an, das verheisst nichts Gutes!
Am höchsten Punkt auf rund 2’300m.ü.M. holt mich der Regen definitiv ein und ich komme doch noch dazu, meinen neuen Wapta-Rucksack von Dan Durston sowie meine frisch imprägnierte Regenjacke auf ihre Dichtigkeit zu testen… Zwischenzeitlich zeigt sich wiederum die Sonne, so dass ich vom kleinen sowie grossen Lac Bleu ein paar gute Erinnerungen mitnehmen kann. Jetzt heisst es nochmal volle Konzentration, denn der letzte Abschnitt ist technisch und vor allem aufgrund des durchnässten Terrains ziemlich anspruchsvoll. Knappe 500m vor der Postautostation von Arolla entlädt sich noch ein letztes Gewitter für mich, ich komme triefnass rund eine halbe Stunde vor Abfahrt in Arolla an… ziemlich auf den Felgen aber sehr stolz auf mich, die insgesamt fünf Etappen in knapp zwei Tagen geschafft zu haben, steige ich schliesslich ins beheizte Postauto talwärts…