Day#87 / Kelsey Creek – Lower Devils Peak Ridge (km 2622-2674)

Die Anstrengung vom Vortag war heftiger als angenommen, ich fühle mich nicht wirklich erholt. Und heute erwartet mich erneut ein langer Tag, denn ich möchte nicht im heissen Seiad Valley auf nur gerade mal 420 m.ü.M. übernachten, und das bedeutet einen steilen Aufstieg mit viel Wasser auf dem Rücken, da es nur vereinzelte Quellen hat. Ich starte um halb sieben, es ist einigermassen frisch und von Farn und fetten Pflanzen überwucherte Trail ist zu Beginn taunass, fast wie gehend durch die Waschanlage. Danach geht es ellenlang einem Grat entlang, mit schöner Aussicht und in einem leichten auf und ab. Ich komme ins Grübeln über mich und meine Familie, wie fest sie mich braucht und wie entbehrlich ich doch sein möchte. Die folgenden paar Tage bis Ashland werden‘s weisen, denn von da weg gilt es für den Rest der Strecke d.h. bis Kanada Essenspakete vorzubereiten und zu versenden. Dann beginnt der lange Abstieg ins Seiad Valley, mehrheitlich durch verbranntes Gebiet, dass sich bereits recht gut wieder erholt hat. In einer Kehre eines Waldsträsschens mache ich Znünipause und kriege Besuch von einem jungen Hirsch.

Von da weg geht es in langen Kehren abwärts, zuerst entlang eines tosenden Bachs, wo ich einem Waldhuhn begegne, zumindest gluckert es. Später folgt der wohl mühsamste Trailabschnitt seit eh und jeh, er ist miserabel zwäg; im steilen Hang liegen kreuz und quer unzählige Baumstämme, teils verbrannt teils zersplittert, Büsche und dornige Stauden haben den Trail fast komplett überwuchert, ich komme kaum voran… Zwischendurch auf einem normal begehbaren Abschnitt kommen mir drei Rehe entgegen, zwei Hirschkühe und ein Jungtier, ein Bambi sozusagen. Ich stelle mich rund anderthalb Meter vom Trail und warte gespannt, ob sie mich passieren. Und tatsächlich, nach ein paar Minuten mit Hören und Schnuppern gehen sie an mir vorbei, ich kriege Gänsehaut vor Glück! Bis ins Seiad Valley sinds nun noch gut fünfzehn Meilen, auf denen ich etliche Brücken queren muss, die über den rauschenden Grider Creek führen. Nach der dritten mache ich bei einem seitlichen Bach Mittagspause, umschwärmt von vielen Schmetterlingen.

Nun geht‘s zügig vorwärts, bis zum Grider Creek Campground ist der Trail eben, doch die Hitze nimmt kontinuierlich zu. Auf dem Talboden angekommen heisst es für die letzten zehn Kilometer zuerst auf der Kiesstrasse, dann auf glühendem Asphalt laufen, nicht so toll, auch weil alles abgezäunt ist. Unterwegs begegne ich einer Babyschlange, schönen Blumen am Strassenrand, einigen interessanten Schildern (u.a. wohl weil wir hier wieder in einem „State of Jefferson“ sind) und Gänsen auf dem Fluss. Kurz vor der letzten Brücke vor dem Städtchen schlucke ich mal leer, Hamburg in 8, da muss ich mich mächtig verlaufen haben! 😂 Im kleinen Grocery Store gönne ich mich kühle Getränke und Glacé, das Thermometer zeigt 38 Grad an.

Es ist bereits fünf Uhr und nun gilt es der Hitze im Tal zu entkommen. Ich quäle mich den steilen Bergrücken hoch und stelle auf einem windigen Sattel mein Zelt auf. Pünktlich zum Znacht geht die Sonne unter, was will ich mehr! 😇


5 Kommentare

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Salut Thierry,
tolle Stimmung auf den Bildern! «was willst Du mehr» trifft es ziemlich genau, würde ich sagen 😀

Megaschön, Hirsch, Rehe und Schmetterlinge, da wurdest Du gleich mehrfach vom Glück gekrönt 🦌🦌🦌 🦋🦋🦋
Liebe Grüsse,
Ralph

Danke Ralph, freut mich, dass du mitliest? Wann steht das Pulver-Fest nun an? Wäre gerne dabei gewesen…

Hoi Thierry,
Klar, ich lese gerne Deinen PCT Blog 😀

Das Pulverfest ist am 10./11. da wirst Du noch unterwegs sein oder?

Wir werden auf Dich anstoßen 😀
Bekommst Du Benachrichtigung, wenn jemand hier antwortet?
Liebe Grüsse,
Ralph

Hoi Ralf, bei jedem Post kriege ich eine Meldung, bei Antworten glaube ich nicht. Du, wenn ich auf einen Kommentar von dir antworte?

Was für ein anstrengender, aber auch mega schöner Tag. Der hatte so richtig von allem etwas …
Danke für die tollen Bilder.

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