Day#14 / Mission Camp – Big Bear (km 389-428)

Ich schlafe friedlich in meinem Zelt, über mir rauschen die Kiefern, als mich ein langgezogenes Geheul aus meinen süssen Träume reisst! Blick auf die Uhr, es ist drei Uhr in der Früh, ich drehe mich um, hab‘ mich wohl verhört. Doch nein, es folgen kläffende, hyänenartig lachende Laute, und das aus unterschiedlichen Richtungen. Es dürften drei bis vier Koyoten sein, die oberhalb von mir den Wald nach einem netten Stück Frischfleisch durchstreifen, keine Ahnung ob und wie ich mit ihnen fertigwerden würde. Nach rund zehn Minuten ist der Spuk vorbei und ich schlafe wieder ein, bis um fünf der Wecker klingelt. Ja heute heisst es früh raus, das Tagesziel das Ski- und Mountain Resort Big Bear Lake, bekannt als Goldgräberstadt in den 1860ern und unter anderem dem Drehort des Films Heidi (sowie vielen anderen Hollywood-Filmen und -Serien), dort gilt es für die nächsten 5 Tage bis Wrightwood Essen einzukaufen und zu duschen. Der Morgen trägt heute etwas Trauriges mit sich, ich habe zugegebenermassen Heimweh nach Bea, Léonie und Amélie, bereits zwei Wochen stürchle ich ganz alleine durch die Pampa, eine neue Erfahrung für mich.

Meinen etwas schweren Gefühlen freien Lauf lassend, richtet sich mein Fokus auf Dinge, die mir vorher noch gar nicht so aufgefallen sind, nämlich Strukturen der Bäume und besonders deren Rinde. Höchst spannend, wie sich die Rinde der verschiedenen Baumarten entwickelt hat, von glatt, runzlig, filzig bis schuppig. Auch spannend das unterschiedliche Verhalten im Zersetzungsprozess nach einem Brand, umgeknickt oder gefällt worden zu sein…

Ich wurde verschiedentlich gefragt, wie ich in aridem Terrain zu Trinkwasser komme. Nun, das ist relativ einfach zu erklären:

1. „Dreckwassersack“ an Wasserquelle füllen, das kann sein ein Bächlein, Fluss, Wassertrog, Pfütze etc.
2. Filter an „Dreckwassersack“ schrauben und in Trinkwasserflasche, -sack, Kochgeschirr oder direkt in den Mund pressen.

Kurz nach Mittag macht sich in der Ferne bereits der ausgetrocknete See von Big Bear City erkennbar, mir bleiben von der ursprünglichen Marathondistanz nur noch knapp 14km.

Der letzte Abschnitt bis zum Highway 18 wird durch zwei Dinge geprägt, einerseits die übermannsgrossen Joshua Trees sowie andererseits den Ausblick auf die Mojave-Wüsten, die es schon allzubald zu durchqueren gilt, glücklicherweise an ihrer schmalsten Stelle. Beim Trailhead angekommen habe ich ein Riesenglück, ich werde gleich mitgenommen und direkt zu Ben & Jerry‘s in Big Bear Lake gefahren, den Pint Glacé habe ich mir verdient! Danach checke ich im nahegelegenen Hostel ein, leider hat‘s nur noch Camping-Plätzchen draussen, bei den überbelegten Bunkbed-Zimmern aber vielleicht auch gar die bessere Wahl. Nach Dusche und Wäschewaschen zieht es mich an den See zwecks Planung der Folgetage, und schliesslich noch zum Supermarkt, der ohne den öV nicht zu erreichen wäre, ein Bravo dem Mountain Transit – System, vor allem da es dazu noch kostenlos genutzt werden kann! Um 21:00 macht der Busservice zwar dicht und ich muss zu Fuss ins Hostel zurück, dafür begrüsst mich die Weihnachtsdeko in den Strassen, typisch amerikanisch… 😂


6 Kommentare

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Wow, Weihnachtsdeko, heiss.
Wir vermissen Dich auch, aber wir haben Anteil an Deinen tollen Erlebnissen.
Wie ich sehe, wächst der Bart …

Ja der Bart… verfängt sich manchmal schon im Reissverschluss meiner Softshell, nich lustig! 🤣

Thierry, ich bin eifrig am Mitlesen. Bis jetzt keinen Tag verpasst. Halt trotz Heimweh durch👍🏻👍🏻
Wie reagiert, resp. verändert sich dein Körper und deine Füsse auf die über 400 km? Liebe Gruess Annette

Hoi Annette, cool liest du mit! Mein Körper und insbesondere Beine und Füsse halten sehr gut mit, keine nennenswerten Blasen bisher, bin gespannt auf den Schuhwechsel heute in Wrightwood. Ich stelle fest, dass Bänder und Muskulatur im unteren Beinbereich stärker wurden, Rücken und Schultern haben sich ebenfalls ans Gewicht gewöhnt, nur meine Arme sind ein wenig schlapp… ☺️ Bis jetzt overall noch keine Verschleisserscheinungen! 👍

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