Day#40 / Whitney Creek – Tyndall Creek (km 1234-1247)

Dem Titel nach scheint dies ein gemĂŒtlicher Tag gewesen zu sein, das ist jedoch dem geschuldet, dass die Besteigung des höchsten Bergs in den USA sĂŒdlich des 48. Breitengrads streckenmĂ€ssig nicht zum PCT (dafĂŒr zum John Muir Trail, kurz JMT) gehört. Um 02:45 geht der Wecker, um 03:30 Uhr laufe ich in kompletter Dunkelheit mit leichtem GepĂ€ck in meinem Einkaufsrucksack los. Etliche sind schon viel frĂŒher los um den Sonnenaufgang zu sehen, das war mir aber dann doch zu frĂŒh resp. zu wenig erholsamen Schlaf. Wandern mit Stirnlampe ist irgendwie nicht so mein Ding, ich verlaufe mich zwei mal, zum GlĂŒck gibt‘s digitales Kartenmaterial und GPS. Ich wandere an rauschenden BĂ€chen und stillen Ebenen vorbei, gespannt wie das ganze dann bei Tageslicht am Nachmittag aussehen wird. In der Ferne funkeln Sterne am Himmel und Stirnlampen anderer Hiker in der Felswand. Nach rund anderthalb Stunden wird es langsam ein wenig hell und die Konturen der mich umgebenden Bergmassive werden erkennbar, erste Handyfotos gelingen


Kurz darauf beginnen die unzĂ€hligen (ein Hiker meinte im Nachhinein es seien 99) Switchbacks hoch zum Whitney Portal, eine schweisstreibende Angelegenheit,und aufgrund der ca. -5 Grad Celsius mit Wind auch eine gefĂ€hrliche. Innert kĂŒrzester Zeit sind meine Finger und FĂŒsse taub vor KĂ€lte, nicht praktisch um den unter den Zinnen verlaufenden recht anspruchsvollen Weg zu meistern. Zwischenzeitlich ist die Sonne ein klein bisschen aufgegangen und wirft Licht auf dahinterliegende Gipfel. In den paar Einschnitten kann ich mich ein wenig wĂ€rmen, dafĂŒr macht mir die Höhe etwas zu schaffen, ich komme auf dem letzten Abschnitt ĂŒber den BergrĂŒcken nur langsam voran.

Oben angekommen ist die Aussicht eine Offenbarung (einfach die rund 15-20 anderen Hiker ausblenden) und das GefĂŒhl, USA-weit keinen höheren Punkt ĂŒber sich zu haben einfach phĂ€nomenal. Mein erster 4’000er per pedes, fĂŒr den Rest des Tages löst das in mir eine mir ganz unbekannte SentimentalitĂ€t aus, bin ich mir nicht gewohnt. Ich bleibe einige Zeit auf dem Gipfel, geniesse die wĂ€rmende Sonne und schreiben ein paar SMS an meine Familie, ja, hier oben hat man Empfang!

Auf dem Abstieg lĂ€uft‘s mir wieder rund, ich ĂŒberhole ein frisch verheiratetes Paar, das sich auf dem Gipfel das Ja-Wort gegeben hat, aber auch einen komplett dehydrierten Hiker, dem ich fast mein komplettes Wasser abgebe. Immer wieder stoppe ich fĂŒrs Fotografieren, und nun verstehe ich auch, weshalb der Guitar-Lake unter mir so heisst. An dessen Ufer mache ich kurz Mittagspause und hĂŒpfe ins eiskalte Wasser. Nun sind alle mĂŒden Geister von mir gewichen und ich mache mich auf den Weg retour zum Campground. Kurz davor knicke ich gleich zwei mal wieder mit meinem rechten Fuss um, diese verflixten halb-vergrabenen Steine im Halbschatten! Im Camp gibt‘s zuerst mal etwas Warmes zu essen, dann wird gepackt, bevor es jedoch weitergeht mache ich noch ein Nickerchen.

Tagesziel fĂŒr heute ist der letzte trockene Zeltplatz vor dem Forrester-Pass, den es morgen zu meistern gilt, wiederum ĂŒber 4’000 m.ĂŒ.M. Unerwartet schön sind die rund 13km bis dahin. Wald wechselt sich ab mit Meadows und gibt den Blick frei auf bekannte aber auch neue Gebirge, wunderschön! Die in Jahren mit viel Schnee ach so verschrienen Flussquerungen sind bis jetzt mehrheitlich ein Klacks, so komme ich trockenen Fusses bei meinem Nachtlager an. Gute Nacht!


3 Kommentare

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Salut Thierry,
Wau, atemberaubender Bericht, vielen Dank! 😀 🏔
Obwohl es kalt ist liegt nur wenig Schnee.

Gibt es auf Mt Whitney ein Steinhaus mit Ofen?
Ich hoffe Du hattest trotz den vielen Leuten ein bisschen Ruhe.
Das Wetter sieht ja perfekt aus, blauer Himmel. Es könnte schlimmer sein.

Dein bebilderter Bericht ist so «hautnah» erlebbar – einfach toll, am Pfingstsonntagmorgen hier einzutauchen, auf deinem Abenteuer mitgehen und mitfĂŒhlen zu können. DANKE!
Und nun – gesunde FĂŒsse fĂŒr weitere Höhenwege / -erlebnisse …
with good strength for «oh happy days» – ciao

Unglaublich, diese Bilder, diese Aussicht. Hammer. Und der Weg ist echt heftig. Wer wohnt denn da oben und wie kriegt der seine Post?
Murmeli !!!!
Dir weiterhin alles Gute und vor allen Dinge einen guten Weg!

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