Day#31 / Robin Bird Spring – Bird Spring Pass (km 969-1015)

Seit einem Monat bin ich nun per pedes unterwegs, und wenn ich darüber sinniere, was ich alles schon erlebt habe, dann ist die Zeit unendlich schnell vorbeigegangen, und irgendwie fühle ich mich trotzdem schon ewig unterwegs. Ein eigenartiges Gefühl, solange auf sich alleingestellt zu sein, und zu wissen, dass zuhause alles funktioniert, auch ohne mich, vielleicht anders, aber es funktioniert. Und dafür möchte ich mich bei Bea, Amélie und Léonie bedsnken! 😘

Der heutige Tag beginnt für einmal geplant sehr früh, die wenigen verlässlichen Wasserquellen auf dem Abschnitt bis Kennedy Meadows sind die Ursache, was heute ein paar – vor allem amerikanische Hiker:innen – schmerzhaft erfahren werden… Knapp 30 Meilen stehen auf meinem Programm, darum schellt der Wecker bereits um fünf Uhr. Frühstücken und Sachen packen, mit einer gewissen Genugtuung blicke ich auf die noch schlafenden Cowboy-Camper; für einmal bin ich der erste! 😄 Die Luft ist wunderbar kühl und das Laufen auf dem federnden Waldboden macht Laune, ich komme gut voran, die Sonne geht auf und mein Stimmungsbarometer steigt. Interessiert suche ich den Boden nach Spuren ab, finde nebst den Hufabdrücken wie schon am Vortag nur einen Abdruck mit Krallen, der Rest ist von Turnschuhsohlen. Vermutlich ist der bekrallte Abdruck von einem wegspurtenden Hasen, davon habe ich einige gesehen. Wem das knöcherne Rückgrat, das weiter vorne am Wegesrand gehört, kann ich beim besten Willen nicht bestimmen. Da heute mein Magen bereits eine Stunde nach dem Frühstück wieder knurrt, lege ich bei der nahegelegenen Quelle eine Rast ein, gegen ein zweites Frühstück habe ich heute nichts einzuwenden.

Auf der Wiese bei der Wasserquelle grasen zwei Pferde während die Reiterin ihr Zelt zusammenpackt. Als sie kurz Wasser holt kommen wir ins Gespräch, sie heisst Gillian und ist Thru-Riderin des PCT, begeht in also mit Pferd und Maulesel, auf demselben Pfad wie wir Hiker. Ich staune, denn gewisse Passagen fand ich schon so hakelig zu Fuss, wie soll das beritten gehen? Scheinbar gibt es auf dem PCT nur eine einzige Stelle, die für Langnasen nicht passierbar ist, und zwar im San Jacinto Nationalpark beim Aufstieg auf der Nordseite. Als ich ihr erzähle, dass Amélie ebenfalls reitet, ist das Foto kurzum im Kasten… Zügig geht‘s weiter, die Waldpassage zieht sich noch einige Kilometer, meine Stimmung ist schon fast auf einem Allzeithoch, dann BÄM: Die Wüste hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen geholt.

Bei einem übervollen Wassercache komme ich mit „Looney Tunes“, einem Softwareentwickler aus Holland ins Gespräch, wir schätzen beide das Verhalten der Amis bezüglich Wasser mit such tragen als teilweise sehr problematisch ein, denn gewisse hangeln sich mit knapp einem Liter über 10+ Meilen bei brütender Hitze entlang. Und wenn dann ein Cache kein Wasser hat, halleluja, doch dazu später mehr. Am Nachmittag kreuze ich den 1000 km – Marker, was schon ein ziemlich cooles Gefühl in mir auslöst!

Es folgt ein brutaler letzter Aufstieg, nicht extrem steil jedoch komplett in Sand. Stellt euch den Gang auf dem Sandstrand vor, mit rund 16kg auf dem Rücken und das während 4km hoch, die Fußsohlen schreien, die Knie ächzen und die Waden rufen um Erbarmen, eine echte Kakofonie! 😖 Die Aussicht ist sehenswert und wenig später sehe ich den Trail sich im Nordhang von Wyley‘s Knob dem Pass zudrehen, ds werde ich übernachten. Als ich ankomme sind geschätzte 10 Hiker bereits da, es macht sich Panik breit, denn von den insgesamt rund 600 Liter Wasser im Cache ist gerade mal noch eine Gallone übrig. Ich komme als letzter zum Zug und kriege noch etwas über einen Liter ab (zzgl. meinem Reserveliter, den ich quasi immer als Backup dabei habe), was für die anstehenden morgigen 30km ohne (!) Wasserquelle machbar aber am Limit ist. Ich denke an die vielen Hiker:innen, die ich am heutigen Tag überholt habe und nach mir eintrudeln werden. Einem Hiker geht es sehr schlecht, kam komplett dehydriert ins Camp, hat 3 Liter aufs mal getrunken, pinkelt Blut. Diejenigen, die nichts auf sich haben, schmieden bereits Pläne für Alternativrouten, sitzen lethargisch am Boden, heulen, suchen in Pferd und Maultier die Schuldigen (obschon diese über einen eigenen Cache verfügen) oder ziehen gleich weiter. Zu viert organisieren wir schliesslich, dass ein Trail-Angel um halb zehn Nachschub bringt, Glück gehabt. Ich hoffe schwer, dass dies gewissen eine Lehre gewesen ist… im Gebirge werden wir sehen, ob sich das ganze bezüglich Nahrung wiederholen wird. 🤨

Rückblickend stelle ich mir nach diesem ereignisreichen Tag noch folgende zwei Fragen: Was fällt mir leicht nach einem Monat? Ich denke alles was Teil des normalen Tagesablaufs ist, wurde zur Routine, die Handgriffe sitzen. Kommunikativ läufts mit den anderen Hikern auch gut, mit zuhause ist es schwieriger, aber durchaus möglich. Was nicht so gut läuft auch nach einem Monat? Ich bin gefühlt weniger spontan am Pause und Feierabend machen, das Geniessen kommt derzeit etwas zu kurz. Ich vermute es liegt einerseits an den Distanzen zwischen den Wasserlöchern, der limitierenden Hitze sowie meiner Unlust der Wüste gegenüber… doch das wird sich rasch ändern jetzt! 🤩


1 Kommentar

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Wow, das ist ja ganz schön heftig mit dem Wasser. Du hattest das ja bereits im Vorfeld erzählt, aber das ist noch mal etwas anderes, so jetzt hautnah und live.
Aber ich bin so stolz auf Dich, dass Du Dich gut vorbereitet hast und gut planst! Weiter so!!

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