Hike#71 / Rossfälli ob Gstaad – Fenil aux Favre

Meine Güte, auch wenn es nicht geregnet hat, die Nacht war extrem feucht; zu meinen noch nicht ganz trockenen Schuhen, Kleidern und Ausrüstungsgegenständen vom Vortag gesellt sich nun auch noch ein nasses Zelt… Das Aufstehen gestaltet sich an meinem zehnten Wandertag darum etwas müheselig, doch die Aussicht und das sich ankündende schöne Wetter machen die müden Beine munter. Die eigene, rustikale aber funktionierende Toilette im Anbau zum Sessellift ist da schon ein echter Luxus… 🙂

Zuerst geht es gemütlich über den Muttehubel hoch zum Gummesel, vor allem der Abschnitt über den Trittlisattel ist wild und herausfordernd aufgrund der vielen Wurzeln. Nicht schlecht staune ich, als mir eine mit Designer-Sonnenbrille und Mini-Rucksack ausgestattete junge Dame entgegenkommt. Keine Ahnung wo sie gestartet ist, damit sie so früh so hoch oben sein kann, sämtliche Hütten, Strassen oder Gondelstationen sind mindestens anderthalb Stunden von hier entfernt… bin ich am Halluzinieren?

Kurz darauf erreiche ich den Col de Jable, und wie es der Name vermuten lässt, auch die Sprachgrenze. Nun geht es runter nach L’Etivaz, wo ein sehr feiner Käse hergestellt werden soll (was ich im Nachgang auch bestätigen kann, wunderbar würzig!). In der Ferne erkenne ich den Rocher de Naye, der krönende Abschluss der Via Alpina vor dem Abstieg nach Montreux; das wird bereits morgen sein… In L’Etivaz selbst beschlagnahme ich kurzerhand die kleine Rasenfläche vor der Dorfkirche um endlich all meine Dinge an der Sonne zu trocknen.

Nun folgt ein zuerst sehr ansprechender Abschnitt entlang dem Flüsschen La Torneresse, bei dem über weite Strecken die Sumpfflächen mit Gehwegen versehen sind. Der Abschnitt durch die Gorges du Pissot bis hin nach Chateau d’Oex fällt unsäglich aus, lärmende Strasse, schmerzender Schotter oder viel Teer, unnötige Aufstiege und null Blick auf die Schlucht, ein Lowlight. Das lässt sich aber mit einer Eiskaffee und kalter Cola im Ballonfahrer-Städtchen kompensieren.

Als Tagesziel hatte ich mir gesetzt, meine letzte Nacht mit Blick auf den Stausee von Hongrin verbringen zu wollen (um auch am letzten Tag meiner Fernwanderung nicht die vollen 2000 Höhenmeter zum Rocher de Naye hoch machen zu müssen). Dazu gilt es nun bis nach Rossinière zu marschieren und dann den steilen Aufstieg durch den Wald auf mich zu nehmen, es ist ja erst 17 Uhr und Zeit habe ich vermeintlich genug für die knapp 600 Höhenmeter zum Col de Sonlomont. Nebst einem modernen Weihnachtsbaum entdecke ich auch das Grand Chalet von Rossinière aus der Ferne, das vermeintlich über mehr als 100 Fenster verfügt.

Der Aufstieg über die Les Traverses wird dann einiges herausfordernder als gedacht, denn der Nordhang ist sehr feucht und gewisse exponierte Stellen trotz Sicherungsseilen nur schwer passierbar. An einem Punkt wird mir aufgrund des abrutschenden Hanges gar etwas mulmig, ich mag mir nicht ausdenken wie diese Passagen bei Regen resp. noch mehr Feuchtigkeit im Boden oder aber Dunkelheit zu meistern sind, für mich bis dato die heikelsten Stellen überhaupt auf meiner Fernwanderung bisher. Schliesslich gelange ich mit einiger Verpätung auf die Passhöhe, und die Suche nach einem Nachtlager beginnt.

Erst nach Linderrey und einem kurzen Gespräch mit einer freundlichen Kuhirtin steige auf zu dem mir empfohlenen Alphüttchen runter, wo ich zuerst aufgrund des schönen Sonnenuntergangs überlege, unter freiem Himmel zu schlafen. Zum Glück entscheide ich mich dagegen und stelle mein Zelt auf, denn bereits um elf zieht die erste von insgesamt vier Gewitterzellen vom Montblanc-Gebiet rüber… Blitze, Hagel und Starkregen können meinem Zelt nichts anhaben, und doch kommt man sich dieser puren Naturkraft gegenübergestellt als kleines Würmchen im Schlafrock ehm Schlafsack vor. Mehrmals verschiebt die Kuhherde über mir ihren Standort, als wüssten sie wohin, nur ich bleibe in meinem Zelt liegen…


Distanz: 35.4km
Höhenmeter: 1’865m hoch / 1’880m runter
Marschzeit: 10h35
GPS-Route: SchweizMobil
Beschrieb: Via Alpina (Nr. 1), Etappe 17 (Abschnitt Rossfälli – L’Etivaz), Etappe 18, Etappe 19 (Abschnitt Rossinière – Fenil aux Favre)

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